Über den Tiefpunkt im Leben zur Erfüllung in Pößneck

Ralf Schlegel arbeitet und lebt in seiner Wahlheimatstadt Pößneck. Dass man als Künstler auch Lebenskünstler sein muss, hat er in seinem Leben oft erleben müssen. Nun hat er seine Erfüllung gefunden.

 
 
 
Ralf Schlegel schafft mit Kreide Foto: Marcus Pfeiffer
 

Der bescheidene, fast schon introvertiert erscheinende Jenenser war lange Zeit auf der Suche nach sich und seiner Aufgabe, wie er zu verstehen gibt. Ein Künstlerkollege aus Tegau, Thomas Kretschmer, fragte ihn vor einigen Jahren: "Willst du therapieren oder malen?" Diese rhetorische Frage konnte sich Schlegel im Laufe der Zeit nach und nach selbst beantworten. Denn der Maler war nach einer langen Phase psychischer Krankheit, über welche er offen spricht, ausgebrannt. Er wusste weder ein noch aus, wie er sagt. Doch die Kunst half ihm in der schweren Zeit. Er begann mehr und mehr zu malen. Seinen Drang, sich durch Kunst auszudrücken, hatte er allerdings schon im Kindesalter entdeckt. Der 44-Jährige kommunizierte durch seine Bilder. Worte schienen ihm schon damals nicht auszureichen. So zeichnete und malte er. Die Laufbahn eines jungen Menschen in der DDR war vorgegeben. So musste er einen handfesten Beruf erlernen – Elektromechaniker. Glücklicherweise kam die Wende und sein Lebensweg war nunmehr weniger vorherbestimmt. Kreativere Berufe waren ohne Weiteres ausübbar. Er dekorierte für eine Werbeagentur und bildete sich ständig fort. Als Grafikdesigner kam er seiner Berufung näher und entwickelte in einer Porzellanfabrik Dekors. Doch erdrückende Anforderungen und Erwartungen, wie er sagt, waren schon bald Ursache für Depressionen und damit die Arbeitsunfähigkeit. Im direkten Zusammenhang habe auch das Scheitern seiner Ehe gestanden.

Ausstellung und Konzert in Jüdeweiner Kirche

Bei einem Therapieaufenthalt in Stadtroda lernte er Thomas Kretschmer kennen, welcher die Krankenhausmitarbeiter beim Heilungsprozess unterstützte, indem er den Patienten anbot, mit seiner Hilfe künstlerisch tätig zu werden. So kam der Kontakt zu Ralf Schlegel zustande. Der 44-Jährige gewann Freude daran, seine künstlerische Begabung auszuleben, und das förderte nicht nur seine Genesung, sondern ließ ihn auch im Einklang mit seinen Vorstellungen von einem ausgeglichenen Dasein endlich das tun, was seiner Neigung entsprach – sich durch Form und Farbe auszudrücken. Bei seinem damaligen Schwiegervater Christian Lüttich schaute er sich all die technischen Details ab, die ein Maler so braucht. "Ich würde ihn schlicht und einfach als meinen Mentor bezeichnen", sagt Ralf Schlegel dankbar. "Bis zuletzt blieb er für mich eine sehr nahe Person, 2011 verstarb er leider", erzählt er wehmütig. Schlegel studierte auch die Kreidetechnik des Weimarer Künstlers Al­fred Ahner und bevorzugte diese fortan in seiner Arbeit. "Wenn ich früher auf Arbeit fuhr, führte mich der Weg oft durch Pößneck", erzählt Ralf Schlegel weiter. "Die Ruhe in der Stadt und die noch gut erhaltene mittelalterliche Architektur in den Gassen rund um den Markt hatte mich damals schon fasziniert", schwärmt er von seinem neuen Zuhause unweit des Weißen Turms . "Ich sehe mich in der Tradition der Pößnecker Maler Franz Huth und Theo Böttcher, beide leisteten und leisten hervorragende Arbeit mit ihren Stadtansichten", so Ralf Schlegel. Klare Strukturen und Formen von Gebäuden faszinieren ihn, wie seinen Bildern zu entnehmen ist. Zahlreiche Arbeiten hängen in seiner Altbauwohnung. Sie laden dazu ein, bekannte Ecken in Pößneck zu entdecken, unter anderem die Stadtkirche und das Rathaus. Glas und Beton empfindet Ralf Schlegel weniger reizvoll. Die alte Stadtbauweise ist sein Motiv. "Ich suche nicht mehr nach mir und dem Sinn meines Lebens", sagt Ralf Schlegel. Er habe gefunden, was er brauche. Die Zeiten, in welcher er quasi wehrlos Zwängen ausgesetzt gewesen sei, wären vorbei. Er schafft aber nicht nur für sich selbst Kunst. Eine immer größer werdende Öffentlichkeit interessiert sich dafür. Das passt, will er doch eines Tages von seiner Kunst leben. Vor wenigen Wochen stellte er im Jenaer Jembo Park mehrere seiner Bilder aus. Die Pößnecker Kantorei um Hartmut Siebmanns war so begeistert von seinen Stadtansichten, dass zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag eine Ausstellung in der Jüdeweiner Kirche eröffnet wird. Die Vernissage ist Teil des 18 Uhr beginnenden Kammerchor-Konzertes in dem auch als Kulturstätte dienenden Gotteshaus.

Marcus Pfeiffer / 08.09.16 / OTZ